ORN #45 Wo die heißen Tool-Tipps zirkulieren
... und ein Praxis-Beispiel für ChatGPT als Schreib-Assistent.
In diesem Online-Recherche Newsletter schreibe ich darüber, wo ich haufenweise Recherche-Werkzeuge finde – und wo ihr gezielt nachschlagen könnt, wenn ihr etwas Bestimmtes sucht. Im Interview erzählt der freie Journalist Oskar Vitlif, mit welchen Tricks er für seinen KI-Newsletter spannende Werkzeuge auftreibt, und wie ihm GPT-4 beim Schreiben hilft. Willkommen zu Ausgabe #45!
Sector035: Am Puls der OSINT-Community
🔑 Wofür braucht man das? Wer von Online-Recherche nicht genug bekommen kann, wird im wöchentlichen Update "Week in OSINT" von Sector035 fündig. Ich überfliege seit Jahren fast jede Augabe auf der Suche nach interessanten Werkzeugen und Recherche-Tipps. Wenn eine Plattform wie Google oder Instagram auch nur ein Detail ändert, das für die Online-Recherche wertvoll sein kann – bei Sector035 lese ich das zuerst.
⚙️ Wie funktioniert das? Hinter OSINT verbirgt sich nicht nur eine fancy Abkürzung für Online-Recherche, sondern auch eine internationale Community. Einer davon ist der niederländische OSINT-Enthusiast Sector035, kurz: Sector. Seit 2017 ist er in der Community unterwegs, wie er im Interview mit osintme.com erzählte. Auf sozialen Netzwerken wie Twitter (neuerdings X) tauscht sich die Community aus und bespricht neue Ansätze. Ich bin dort nicht selbst unterwegs, aber sehr dankbar, regelmäßig die wichtigsten Take-aways bei Sector zu finden.
📌 Was muss man beachten? "Week in OSINT" ist auf jeden Fall für OSINT-Nerds geschrieben: Teilweise muss ich einen Absatz mehrfach lesen oder einen Begriff googeln, um zu verstehen, worum es eigentlich geht. Wenn man sich von dem Gedanken löst, jedes Detail verstehen zu müssen, ist es eine tolle Fundgrube.
Listen über Listen: Kopfsprung in die Werkzeug-Flut
🔑 Wofür braucht man das? Im Netz kursieren zahlreiche Listen voller Recherche-Werkzeuge, oft zusammengestellt von OSINT-Fans, die auf diese Weise selbst den Überblick behalten wollten. Wer gerade zu einem bestimmten Gebiet recherchiert – sei es Instagram, das Dark Web oder Krytpo-Währungen – findet dort oft bündelweise spannende Tools.
⚙️ Wie funktioniert das? Vor allem der Bookmarking-Anbieter start.me beherbergt viele dieser akribisch bestücken Werkzeug-Sammlungen, zum Beispiel diese von nixintel. Weil es nun aber so viele OSINT-Listen gibt, steigt die Versuchung, die interessantesten Listen wiederum – ihr ahnt es! – in einer weiteren Liste zu kuratieren. Ich konnte nicht anders, als in meiner eigenen Liste damit anzufangen (unter “Weitere Sammlungen").
📌 Was muss man beachten? Unter hunderten Werkzeugen sind auch schlechte Äpfel dabei. Das können Werkzeuge sein, die nicht (mehr) tun, was sie versprechen, oder die von weniger vertrauenswürdigen Personen betrieben werden. Möchte zum Beispiel ein Social-Media-Werkzeug eure Login-Daten, ist das ein Warnsignal. Selbst wenn man dem Werkzeug vertraut, sollte man dafür allenfalls einen Wegwerf-Account verwenden.
Hausmitteilung: Knapp vier Jahre lang ist dieser Newsletter eisern jeden Monat erschienen. Jetzt drehe ich die Frequenz etwas runter, zumindest für eine Weile. Sechs Ausgaben im Jahr gibt es auf jeden Fall, und mehr als das gibt es vielleicht. Wenn euch der Durst nach Recherche-Input packt oder ihr für ein aktuelles Projekt gezielt Anregungen sucht: Das verschlagwortete Newsletter-Archiv mit derzeit 45 Werkstatt-Interviews und 111 Werkzeug-Tipps ist rund um die Uhr für euch da. ❤️
Interview: Texte schreiben mit ChatGPT und die Jagd nach den besten KI-Tools
Oskar Vitlif ist freier Journalist aus Hamburg, seine Stammredaktion ist das Social-Media-Team von ARD-aktuell. Im Werkstatt-Interview erklärt er, wie ihm KI-Werkzeuge dabei helfen, seinen wöchentlichen Newsletter zu schreiben, der passenderweise selbst von KI-Werkzeugen handelt.
ORN: Oskar, woher kommen all die KI-Werkzeuge, die du vorstellst?
Oskar Vitlif: Meine wichtigste Quelle sind Newsletter wie "Ben's Bites", "Last Week in AI" oder "The Neuron" , davon habe ich habe mehr als 20 abonniert. Außerdem habe ich mir Google Alerts für Stichworte wie "AI tool" oder "AI solution" gesetzt. Das heißt, Google informiert mich automatisch, wenn zu den Stichworten neue Einträge im Index der Suchmaschine erscheinen.
ORN: Ist das nicht eine riesige Flut an Hinweisen?
Oskar: Doch, das sind pro Woche mehr als hundert neue Artikel. Aber ich nutze ein weiteres Werkzeug, um den Überblick zu behalten, und zwar Feedly. Die App ist nicht nur ein RSS-Reader, sondern man kann damit auch Newsletter und Google Alerts bündeln. Das heißt, es landet schon mal alles an einem Ort. In der Premium-Version kann ich mir die Inhalte von Feedly außerdem vorsortieren lassen. Das sind mir die 12 US-Dollar Monats-Abo wert. Die Funktion heißt Feedly AI. Die App clustert dann Inhalte, die von einem ähnlichen Thema handeln. Wenn also sehr viele Quellen über ein bestimmtes, neues Tool berichten, weiß ich: Das sollte ich mir auch genauer anschauen. Mit Feedly kann ich auch anhand von Stichwörtern Inhalte aussortieren, die mich nicht interessieren.
ORN: Wie geht es weiter, wenn dir ein Werkzeug zusagt?
Oskar: Ich speichere die Links zuerst auf Pocket, und später gehe ich nochmal drüber und schicke mir die interessanten Werkzeuge per E-Mail an mein Newsletter-Postfach. Auf das Postfach greife ich dann zurück, wenn ich den Newsletter schreibe.
ORN: Nach welchen Kriterien wählst du Werkzeuge aus?
Oskar: Ich will KI-Tools für eine breite Zielgruppe zugänglich machen. Je weniger Vorwissen man für die Werkzeuge braucht, desto besser. Also kondensiere ich heraus, welche Tools wirklich einfach funktionieren und dabei ein echtes Problem im Alltag lösen. Zum Beispiel ein Tool, das dir dabei hilft, deine nächste Reise zu planen. Viele Werkzeuge, die ich vorstelle, machen nichts weiter, als dir eine grafische Oberfläche zu geben, während im Hintergrund Prompts über ein Sprachmodell laufen. Wer sich also schon intensiv mit großen Sprachmodellen beschäftigt und gerne an komplexen Prompts tüftelt, könnte viele Aufgaben auch ohne zusätzliche Tools erledigen.
Den ersten Entwurf schreibt GPT-4
ORN: Wie testet du die Werkzeuge?
Oskar: Ich probiere jedes Tool, das ich empfehle, zuerst selbst aus. Viele Werkzeuge werden mal eben mit Hilfe der OpenAI-API erstellt und auf den Markt geworfen, aber dann nicht weiter gewartet. Da draußen liegen viele Tool-Leichen. Das heißt, die Websites mit ihren großen Versprechungen sind noch online, aber wenn man das Tool ausprobieren will, funktioniert es nicht.
ORN: Unter jeder Ausgabe deines Newsletters steht: "Transparenz: Beim Schreiben dieses Artikels hat mich das KI-Sprachmodell GPT-4 unterstützt." Was steckt dahinter?
Oskar: Mit GPT-4 erstelle ich den ersten Entwurf des Newsletters, genauer gesagt mit Bing Chat. Das basiert auf GPT-4 und kann auf aktuelle Suchergebnisse zugreifen. Dafür habe ich einen Prompt aus etwa 15 Sätzen entwickelt, den ich nur mit dem Tool der Woche ergänzen muss. Die Struktur des Newsletters ist ja immer gleich: Was kann das Tool, wie nutze ich es, wie viel kostet es? Der generierte Text-Entwurf ist oft noch zu lang und enthält viele Fehler. Zum Beispiel sind die Preisangaben oft falsch. Ich gehe dann nochmal genau drüber, redigiere den Text und prüfe alle Fakten.
ORN: Bekommst du da nicht das Bedürfnis, lieber gleich alles selbst und besser zu schreiben? Das wäre zumindest mein erster Impuls.
Oskar: Bei mir ist das anders. Ich glaube, ich bin kein besonders guter Texter. Wenn ich eine Reportage schreiben müsste, würde ich das zwar hinkriegen; ich weiß, worauf machen achten soll. Aber es würde mir viel Anstrengung abverlangen. Was mir viel mehr Spaß macht, ist Redigieren und Faktenprüfen. Und genau das kann ich machen, wenn mir GPT-4 schon einen ersten Entwurf vorlegt. Ich sitze dann nicht vor einer weißer Seite, sondern vor einer vollen Seite, und ich kann sie besser machen. Das ist eine enorme Erleichterung und nimmt mir die Hemmung beim Schreiben.
Strg+F 2.0.
ORN: Hättest du zum Abschluss noch Werkzeug-Tipps für die Online-Recherche, die jede*r kenne sollte?
Oskar: Bei Seminaren stelle ich gerne Perplexity AI und Consensus vor. Ich weiß aber nicht, ob man die Leser*innen deines Newsletter damit noch hinterm Ofen hervorlocken kann?
ORN: Doch, die Tools sind super! Zumindest wer Ausgabe #39 gelesen hat, kennt sie schon.
Oskar: Außerdem bin ich großer Fan von ChatPDF. Du kannst dort eine PDF-Datei reinwerfen und in natürlicher Sprache Fragen über den Inhalt stellen. Nicht immer sind die Antworten korrekt, aber das Tool zeigt dir die passenden Textpassagen in Form von Fußnoten, damit du dort nochmal selbst nachlesen kannst.
ORN: Spannend, diese Fußnoten gab es noch nicht, als ich das Tool vor einiger Zeit ausprobiert habe! Da sollte man einfach dem generierten Text vertrauen, und das ist Käse. Ich hatte das Tool mit dem Gesetzentwurf der KI-Verordnung getestet. ChatPDF hatte einfach Verbraucherschutz-Rechte dazu gedichtet, die zwar sehr gut reingepasst hätten, aber eben nicht drin standen. Mein Urteil damals: unbenutzbar.
Oskar: Ja, das warst du vielleicht zu sehr ein Early Adopter. Mit dem Fußnoten-Feature ist ChatPDF ein starkes Werkzeug, um längere Texte zu durchsuchen. Das ist wie eine Erweiterung der Funktion Strg+F: Statt nach dem exakten Stichwort suchst du quasi nach dem Thema.
ORN: Der Vergleich gefällt mir sehr gut. Das macht es noch unpraktischer, Texte auf Papier zu lesen, weil man dort gar keine Suchfunktionen hat. Oskar, Danke für das Interview!
Für deinen Recherche-Alltag habe ich ein verschlagwortetes Archiv aller Beiträge zusammengestellt und eine Linkliste mit noch mehr Tools.
Danke fürs Lesen, viel Erfolg bei der Recherche und bis zum nächsten Mal 💛